Dienstag, 11. Januar 2011

Würstchen und Langusten

Ein neue Blogeintrag, wer hätte das gedacht!?
Tja, das neue Jahr fängt auch mit einigen Erlebnissen an. Nicht, dass ich mich in den letzten sechs Monaten gelangweilt habe… Aber jetzt sind die guten Vorsätze noch frisch! ;-)
Also:
Dieses Jahr reise ich in Südamerika, Startland ist Kolumbien. Nur ist’s nicht so einfach von Mittelamerika hierher zu kommen. Eigentlich gibt’s die Panamericana, die von Alaska bis Feuerland geht. Aber zwischen Panama und Kolumbien ist sie für 90 km im Isthmus von Darién von fast undurchdringlichem, bergigem Urwald unterbrochen. Also für mich die Wahl zwischen fliegen oder mit dem Segelboot in der Karibik übersetzten. Keine Frage…aber welches Boot nehme ich?

Ich vertraue meinen Landsleuten vom Hostel Wunderbar (Puerto Lindo, Panama), und lasse sie für mich die Überfahrt organisieren. Auf einem der zwei Boote, die am 06.01.11 auslaufen, werde ich mitfahren. Die Modus Vivendi von Hagen oder die Iliki mit Skipper Konny, beides auch Deutsche. Letztgenannter kommt aus Greifswald und wird mein Kapitän. Er war übrigens zusammen mit den Leuten von Hostel Wunderbar schon bei VOX in der Auswanderer-Doku „Goodbye Deutschland“. Nebenbemerkung von Konny: selbst bei solchen TV-Sendungen ist alles gestellt!...
So mache ich mich am 05.01.11 von Panama Stadt auf den Weg in das verschlafene Hafenörtchen Puerto Lindo an der Atlantikküste. Ich wähle dafür den teureren Weg mit der Panama Canal Railway entlang des weltberühmten Kanals bis nach Norden. Freiwillig stelle ich mich ins Raucherabteil, da der offene Waggon perfekt zum Fotografieren und Drehen von Videos ist. Und es hat sich gelohnt.


Nach Umsteigen in einen der typischen, bunten, alten (Schul-)Busse komme ich im Wunderbar an. Dort wird noch fleißig gearbeitet und organisiert. Der Kühlschrank des Bootes muss repariert, das Ruder umgebaut und die Ausreisestempel geholt werden. Lange ist nicht klar, wer auf welches Boot geht. Wir, die Besatzung, lassen uns aber von der Ruhe des Ortes anstecken und „nixen“ mehr oder weniger die ganze Zeit. Liegen in Hängematten und hören Hühnern und Motorsensen zu. Ab und zu kommt eine Krabbe oder ein Gecko auf Besuch.

Hunger und Durst stille ich bei einem in Delft geborenen Holländer. Am Abreisetag fällt die Wahl auf Französische Küche, man weiß ja nicht, was die nächsten fünf Tage kulinarisches bringen. Abgesehen davon gibt’s im Ort nicht viel Auswahl und der einstündige Spaziergang zum Franzosen tut gut, ist schön und zeitvertreibend.

Dann können wir am 06.01.11 kurz vor Sonnenuntergang endlich aufs Boot. Aber es fehlen noch immer Trinkwasser und Verpflegung, nicht ganz unwichtig. Irgendwann zwischen 22:00 und 23:00 werden dann die Segel gehisst ….naja, der Motor gestartet und wir tuckern los. Ein GPS wird an den Laptop gekoppelt, so sehen wir auf Karten unsere genaue Position. Diese Karten kosten übrigens in Kolumbien $ 45,-, in Deutschland € 14.000,-… Der nützliche Tipp gegen Seekrankheit: an Deck (frischer Luft) bleiben und auf den Horizont schauen. Brauch ich bei diesem Wellengang auch. Funktioniert aber nur so lange, bis es anfängt zu regnen. Dann, unter Deck, hilft einfach sich hinzulegen. Funktionier auch. Allerdings ist mein Bett direkt neben dem antiken Motor. Der macht tierisch Krach, gibt viel Wärme ab und stinkt nach Diesel. In der ersten Nacht finden auch Abgase den Weg in die Kajüte. Da ist das Teilen der schmalen Koje und die Angst heraus zu fallen noch das geringste Problem.

Als ich aufwache, laufen wir schon in den Ankerplatz ein. Zwischen zwei von einem Korallenriff geschützten Inseln, die zum östlichen Teil der San Blas Inseln gehören, werden wir für 24h bleiben.
Die Erklärung wie’s dort aussieht spar ich mir, schaut euch einfach die Fotos an.

Nachdem der Kapitän sein traditionelles Ankerbier getrunken hat, kann der Tag im Paradies beginnen. Wir bestellen bei den Einheimischen (Kuna genannt) Fisch mit Kokosreis zum Abendessen und gehen dann schnorcheln. Das Ziel ist klar, ein vor wenigen Wochen gesunkenes Segelschiff an der Durchfahrt des Riffes. Der Mast schaut noch heraus. Als Schatztaucher dürfen wir uns aber nicht betätigen, Schiff inkl. Inhalt gehört noch dem Besitzer und es widerspricht außerdem einem Ehrenkodex. Weiter entfernt sehen wir ein weiteres Wrack auf dem Riff. Scheint hier doch nicht so ungefährlich zu sein...
Jürg, ein Schweizer, vollbringt noch eine gute Tat und rettet eine große Krabbe, die sich verfangen hat. Sehr typisch für ihn.

Zurück auf unserer Iliki brauchen wir eine Stärkung und bekommen diese in Form von Kokosnüssen, die uns vorbeikommende Kuna anbieten. Klar Kokosnüsse, sonst gibt‘s hier ja nix, abgesehen von paar Meeresbewohnern. Die Inseln bestehen tatsächlich nur aus Kokospalmen.
Süßwasser gibt‘s aus einer Quelle, gefiltert von den Palmen und/oder unterirdischen Höhlen.

Die Boote der Kuna sind auch mehr schlecht als recht. Meist aus einem Stamm geschnitzt und einige, die eigentlich untergehen würden, würde nicht einer ständig Wasser schöpfen.
Beim Rundgang um die Insel fällt auf, dass sehr viel Müll angeschwemmt wurde. Vor allem Plastikflaschen. Die Kuna sammeln alles regelmäßig ein und verbrennen es. Scheinbar die beste Möglichkeit…naja. Jedenfalls sieht man hier, wie verdreckt die Weltmeer eigentlich sind. Nicht zu reden von Öl, Diesel und allen untergegangenen Dingen. Schlimm.

Inzwischen ist auch das andere Boot (Modus Vivendi) angekommen, auf der Insel treffe ich auf die Besatzung. Und es stellt sich heraus, dass Kapitän Hagen und sein Kumpel Martin, der ihn gerade Besucht, aus Dresden kommen und früher auch oft in Zittau waren. Die Welt ist so klein. Das muss begossen werden! Gelegenheit dazu gibt die Party auf der gegenüberliegenden Insel.

Die beiden Schweizer liegen da aber schon in ihren Hängematten, gespannt zwischen zwei Palmen. Die Plane darüber erweist sich als sehr nützlich, nicht nur gegen den Regen in der Nacht, sondern auch als Schutz vor fallenden Kokosnüssen. Fünf Stück haben sie gezählt. Klingt witziger als es ist, weltweit werden jährlich mehr Menschen von dieser Frucht erschlagen als von Haien gefressen…

Der nächste Morgen ist bei mir nicht geeignet, unter Deck abzuwaschen und Frühstückszutaten zu suchen. Also schau ich mir paar Stunden den Horizont an, abwechselnd mit paar Inseln und gebirgigem Festland. Unser nächstes Ziel ist die Inselgruppe Coco Bandera im Osten der San Blas Inseln. Auch wieder viele Segelschiffe hier, aber keine Leute zu sehen. Was machen die alle? Sofort kommen wieder Kuna und bieten uns ihren Tagesfang an. Heut gibt’s Langusten. Auch nicht schlecht! Sieben Stück für $40,-.
Dann wieder das übliche: schwimmen, Inselrundgang (diesmal ist sie unbewohnt), quatschen, sonnen, schlafen.
Und Holz fürs Lagerfeuer sammeln. Das andere Boot kommt dann auch, der Neid um unser Abendbrot ist groß! Ein Rochen springt und schwimmt um unsere Boote herum.
Die Überreste von Kokosnusspalmen eignen sich nur mäßig zum Entzünden des Lagerfeuer, aber es geht.
So kommen dann Folienkartoffeln rein und die Langusten neben Bratwürste und Hamburger auf das Grillrost. Was für ein Bild!
 
Ein Franzose grillt dann noch zwei mit der Harpune selbst gefangenen Fische.

 
Morgens fahr ich mit dem Schlauchboot und der ungarischen Familie zu einem weiteren Wrack. Ein Frachtschiff, der Kapitän war total besoffen. Jedenfalls mögen wohl (ungefährliche) Riffhaie das dortige Riff zum Sonnen. Leider nicht heute. Zurück auf dem Boot gönne ich mir die erste und einzige Dusche auf dieser Schiffsreise. Eine 1,5l Wasserflasche muss reichen. Nach dem Mittag geht’s dann auf die Überfahrt nach Cartagena, Kolumbien. D.h. wenn die Dieselleitung nicht verstopft gewesen wäre. Hagen hält uns mit seinem Boot an der kurzen Leine, damit wir nicht ins Riff treiben. Nach einen knappen halben Stunde ist das Problem behoben, wir verabschieden uns, fahren ein Stück …und müssen erneut halten. Wieder der Motor. Während dieser Wartezeit unterhalten uns einige Delphine, die sich ums Boot tummeln. Die grauen, ziemlich großen Säuger spielen zwar nicht ganz wie im Delphinarium … Trotzdem, so was Schönes und Verrücktes! Wahrscheinlich sind sie schon alt, bei jedem Auftauchen „schnaufen“ sie. ;-) Irgendwann wird‘s ihnen aber zu langweilig, mit der Reparatur dauerts noch. Als es weitergeht, mit Motor und Segel, bekommen wir nur noch ab und zu fliegende Fische zu sehen. Nachts verirrt sich auch der ein oder andere an Deck. Einen können wir retten, einen anderen finden wir am nächsten Morgen „schlafend“ an Deck…
Der Wellengang ist nachts immer schlimmer und der Wind kommt von schräg vorn. Mit unserer Schieflage ist an gemütliches Schlafen nicht zu denken. Außerdem ist da ja noch der laute Motor. D.h., bis er sich auf hoher See für einen Keilriemenwechsel entscheidet. Toll! Sonst noch was? Zum Glück haben wir einen Ersatzriemen, in 30 min hat Konny ihn gewechselt. Am nächsten Morgen muss Bilgewasser geschöpft werden. Wird auch Kieljauche genannt, ich finde dieses Wort treffender. Das Wasser ist durch den starken Wellengang durchs Ankergehäuse gekommen und wird normalerweise automatisch abgepumpt. Normalerweise. Jedenfalls landet der Eimer schwarzer Brühe, wo auch sonst, im Meer… Gut ist das bestimmt nicht, haben aber auf diesem Boot leider keine andere Wahl. Ich denke so werden sehr, sehr viele das Meer ein klein wenig verschmutzen. Dazu kommt Müll, der von Wind und Wellen über Bord befördert wird.
Nachmittags hab ich das Ruder auch für zwei Stunden übernommen. Passend dazu die Steve Miller Band (die wir täglich mehrmals gehört haben) "Keep on rocking me, baby"!
Zwei Delphine kamen auch noch kurz vorbei.

Der Gang aufs stille Örtchen nicht vergessen zu erwähnen: ist natürlich auch mühsam. Eng, warm, benutztes Toilettenpapier in einer Plastiktüte und Wellengang, da macht man sich‘s nicht mit einer Zeitung gemütlich. Und als wär das Geschäft nicht schon anstrengend genug, mussten wir noch per Handpumpe 20x abpumpen.

Alles in allem hab ich am letzten Abend einfach nur noch gehofft, so schnell wie möglich anzukommen. Ein Bett zu haben, wo man nicht heraus rollt, ein bequemes WC und natürlich eine erfrischende Dusche. Aber erstmal hab ich mich nochmal ans Ruder gestellt, in der letzten Nacht von 2:00 bis 7:00.
Auf offenem Meer sind wir nach Kompass gefahren, dann kamen die sogenannten Rosario-Inseln vor der Küste von Cartagena. Da sie von Korallenriffen umgeben sind, haben wir wieder die Karte zum GPS geschaltet. Mehrere Leuchtfeuer, Containerschiffe und auch ein Kreuzfahrschiff tauchen auf. Und gg. 5:30 auch die Sonne. Toll! Damit auch die ersten kleinen Fischerboote und ein altes, schwimmendes Transportirgendwas…den Kapitän würden sie in Deutschland in die Klapse stecken.
Kurz vor der Hafeneinfahrt übernimmt Konny wieder das Ruder. Erleichterung, als wir auf einer Festung an Land die kolumbianische Flagge und etwas später die Skyline von Cartagena sehen. Wir sind da! Und eher als das andere Boot. ;-)